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Zusammenfassung und Ausblick

Gegenstand dieser Arbeit ist das erste Experiment mit Phase2 des 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektors am Schwerionensynchrotron SIS bei der GSI in Darmstadt. Das Kernstück dieses neuen Detektors ist die zentrale Driftkammer, mit der eine Massenauflösung und damit die Pionenidentifikation und eine Trennung der Wasserstoffisotope möglich ist. Das erste Experiment mit dieser Ausbaustufe des 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektors diente daher der näheren Untersuchung der Pionenproduktion und ihrer Flußeffekte im System Au+Au bei 1AGeV. Im Gegensatz zu den gut bekannten Flußeffekten der Baryonen [Gut89a], war über Flußeffekte der Pionen bei schweren Systemen bislang wenig bekannt. Bisherige Messungen beschränkten sich nur auf einen kleinen Phasenraumbereich um Midrapidität mit dem Ergebnis, daß Pionen ein den Baryonen ähnliches Flußverhalten, den Squeeze-Out, an den Tag legen [Bri93a, Ven93].

Die Frage, ob diese Flußeffekte der Baryonen und Pionen dieselbe Ursache haben oder nur dieselbe Signatur aufweisen, ließ sich aber aufgrund dieser Messungen nicht eindeutig beantworten. Zur Klärung dieser Fragestellung war es notwendig, Pionen simultan in einem großen Phasenraumbereich mit guter Statistik zu messen, eine Aufgabe, für die der 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektor prädestiniert istgif.

Das mit dem Ausbau des 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektors anfallende Datenvolumen machte eine Online-Datenreduktion der Driftkammerdaten und damit eine Neukonzeption des Datenaufnahmesystems notwendig. Im Rahmen dieser Arbeit wurde das bestehende Datenaufnahmesystem TDAS unter Einbeziehung von Komponenten des an der GSI entwickelten Datenaufnahmesystems GOOSY den neuen Erfordernissen angepaßt. Der 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektor verfügt jetzt über ein modulares Datenaufnahmesystem, dessen Komponenten in der Einstellphase oder zu Testzwecken als eigenständige Datenaufnahmesysteme unabhängig voneinander fungieren können.

Die Reduktion der Driftkammerdaten auf etwa ein zehntel des Rohdatenvolumens wird von einem eigenen aus ca. 60CPUs bestehenden VME-System bewerkstelligt. Durch massives Zwischenpuffern der Daten werden auch die Spillpausen zum Verarbeiten und Schreiben der Daten ausgenutzt. Auf diese Weise ist es möglich, die während des Strahlpulses anfallende Datenrate von 2MB/sek zu archivieren. Die hierfür erforderliche Schreibleistung von 1MB/sek konnte damals nur durch die Archivierung über zwei separate VME-Rechner mit lokalen Exabyte-Laufwerken mit einer maximalen Rate von je 500kB/sek zur Verfügung gestellt werden. So wurde auch gleichzeitig die Belastung durch die Online-Datenübertragung für Monitoraufgaben auf zwei Rechner verteilt, was wiederum dem Datendurchsatz zugute kam. Es wurden bisher im Experiment Datenraten von 600kB/sek bis 700kB/sek erreicht.

Die Analyse der Driftkammerdaten mit vier unterschiedlichen Tracking-Programmen, zwei lokale und zwei globale Ansätze, erforderte eine Untersuchung der Tracking-Effizienzen mit Hilfe simulierter Daten. Als Eingabe wurden realistische Teilchenverteilungen verwendet, die mit dem IQMD-Modell generiert wurden.

Ein Vergleich der Teilchenmultiplizitäten zeigte, daß Baryonenspuren mit allen Ansätzen leicht zu finden und die Effizienzen weitgehend identisch sind. Für Pionenspuren sind dagegen deutliche Unterschiede zu sehen und lokale Methoden stoßen bei den hohen Multiplizitäten zentraler Ereignisse an prinzipielle Grenzen. Auch der Anteil der künstlich produzierten Pionenspuren von etwa 20% ist bei allen Tracking-Programmen doppelt so groß wie die Zahl der künstlichen Baryonenspuren. Eine Untersuchung der rekonstruierten Spurradien zeigte, daß stark gekrümmte Spuren von Pionen mit einem Transversalimpuls unterhalb von 100MeV/c die meisten Probleme bereiten. Aber auch bei sehr großen Radien gibt es teilweise systematische Verfälschungen, was vorwiegend die Spektren hochenergetischer Baryonen beeinflußt.

Der Einfluß der Tracking-Programme auf die Rekonstruktion der Flußeffekte von Pionen wurde untersucht. Hier wurden erst bei zentralen Ereignissen mit hohen Spurmultiplizitäten systematische Verluste in der Reaktionsebene gefunden. In den experimentellen Daten dagegen tauchte dieser Effekt schon bei wesentlich kleineren Multiplizitäten auf. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich in Hitverlusten in der Kammer und ist, wie die Simulationen zeigten, nicht auf Unzulänglichkeiten der Tracking-Programme zurückzuführen. Anhand der Spurdichteverteilung konnte aber für diese Verluste eine Korrektur eingeführt werden, die konsistente Ergebnisse liefert.

Durch die in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse konnte gezeigt werden, daß sich das Flußverhalten der Pionen grundlegend von dem der Baryonen unterscheidet und wahrscheinlich nicht durch die Kompression der Kernmaterie im Überlappbereich der stoßenden Kerne verursacht wird. Mit einem Kompressionsszenario ließe sich zwar die beobachtete bevorzugte Emission von Pionen senkrecht zur Reaktionsebene (Squeeze-Out) bei Midrapidität erklären, nicht aber die Beobachtung, daß dieses Verhalten auch noch bei Targetrapidität auftritt. Auch die Antikorrelation positiver Pionen zu den Baryonen beim Fluß in die Reaktionsebene läßt andere Mechanismen vermuten.

Ein Vergleich mit dem IQMD-Modell, das die Pionenproduktion explizit behandelt, weist vielmehr auf Pionenabsorption und Pionenstreuung als die verantwortlichen Prozesse hin. Im Rahmen dieses Modells, das die gemessenen Daten in weiten Teilen gut reproduziert, wird der ''Squeeze-Out'' der Pionen mit einer Absorption in Spektatorenmaterie begründet. Dies führt dazu, daß bei allen Rapiditäten Pionen, die senkrecht zur Reaktionsebene emittiert werden, mit größerer Wahrscheinlichkeit die Reaktionszone verlassen können und so die Signatur des Squeeze-Out der Baryonen bei Midrapidität erzeugt wird. Im Gegensatz zur Vorhersage des IQMD-Modells ist der ''Squeeze-Out'' für negative Pionen aber stärker als für positive.

Das Flußverhalten der Pionen in die Reaktionsebene wird im IQMD-Modell dagegen nicht durch Absorption sondern durch Streuung verursacht. In peripheren Reaktionen mit viel Spektatorenmaterie werden die Pionen in die Reaktionsebene zurückgestreut. Die Stärke dieses Effekts wird durch die Coulomb-Wechselwirkung beeinflußt. Positive Pionen, die von der Spektatorenmaterie abgestoßen werden, zeigen daher eine Antikorrelation zu den Baryonen, negative Pionen zeigen keinen ausgezeichneten Fluß in die Reaktionsebene. In zentralen Ereignissen mit wenig Spektatorenmaterie dagegen sollten Pionen eine Korrelation zum Fluß der Baryonen aufweisen. Diese vorhergesagte Umkehr der Flußrichtung läßt sich in den experimentellen Daten erstmals beobachten.

Weiterhin wurde die Transversalimpulsabhängigkeit des Pionenflusses senkrecht zur Reaktionsebene bei Midrapidität untersucht. Die bei diesem Vergleich einbezogenen Pionendaten des Kaonenspektrometers KAOS stimmen mit den Daten des 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektors gut überein. Hier sind deutliche Unterschiede zum IQMD-Modell feststellbar. Die Daten deuten in allen Transversalimpulsbereichen einen stärkeren ''Squeeze-Out'' der negativen Pionen an als das Modell. Für positive Pionen liegt das Modell zwischen den Daten von KAOS und denen des 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektors. Der vom Modell vorhergesagte Übergang zu einer bevorzugten Emission in die Reaktionsebene konnte in den Daten nicht gefunden werden. Generell folgen diese Daten nicht dem vom Modell vorausgesagten Verlauf.

Die in dieser Arbeit vorgestellten ersten Ergebnisse des nahezu kompletten 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektors zeigen die Notwendigkeit der gleichzeitigen Messung möglichst vieler Observabler in einem großen Bereich des Phasenraums. Nur auf diese Weise können Mehrdeutigkeiten, die sich aus der Komplexität von Schwerionenreaktionen ergeben, aufgelöst werden. Mit den Messungen zum Pionenfluß konnte gezeigt werden, daß die Modellvorstellungen grundsätzlich in die richtige Richtung weisen, aber das Verständnis wichtiger Details noch weiterer Untersuchungen bedarf. Das Studium der kollektiven Effekte der Pionen wird aufgrund der verschiedenen relevanten Prozesse weiterhin von großem Interesse sein. Aus den Flußeffekten in die Reaktionsebene lassen sich Rückschlüsse auf die Pion-Nukleon Streuung ziehen, während die Emission senkrecht zur Reaktionsebene auf die Absorption in Kernmaterie sensitiv ist und letztlich ist die Pionenmultiplizität selber von der im System deponierten Anregungsenergie abhängig. Hier bieten sich gerade für den 4 tex2html_wrap_inline1989 -Detektor durch die Fähigkeit, den Stoßparameter und die Ereignisgeometrie sehr genau bestimmen und damit selektieren zu können, weite Möglichkeiten.


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Chris Pinkenburg
Fri Aug 23 16:35:45 CST 1996